Wie mir die Systemik dabei geholfen hat, nie in die ‘Bindungsorientiert-Falle’ zu tappen!

Sep. 16, 2025 | Bindungsorientierte Erziehung und Systemik

Wie mir die Systemik dabei geholfen hat, nie in die ‘Bindungsorientiert-Falle’ zu tappen!

Sep. 16, 2025 | Bindungsorientierte Erziehung und Systemik

Wieso Falle? Du erziehst doch aber bindungsorientiert (BO), oder nicht? 

Nachdem die bindungsorientierte Erziehung jahrelang einen starken Aufwind erlebt hat, sieht es momentan so aus, als gäbe es in diesem Bereich wieder ein paar Rückschritte. Ich konnte mich mit dem Namen auch nie 100%ig anfreunden und nutze lieber den Begriff ‘bedürfnisorientiert’, was ja auch oft als Synonym genutzt wird. Dabei müsste ich auch dies noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, denn bedürfnisorientiert geht nur, wenn eine Bindung da ist, die stark genug ist zu tragen. 

Aber was ist nun diese Falle, fragst du dich? Die Falle ist der Grund, warum die Bewegung gerade wieder Rückschritte erlebt, zumindest aus meiner Sicht. Es geht darum, dass der Fokus in dieser Bewegung zu sehr auf dem Kind lag und die Bedürfnisse des Kindes bei vielen Familien über denen der Eltern, besonders der Mutter stand. Dies führt dazu, dass immer mehr Familien (noch) erschöpfter sind als eh schon, da sie mehr Geben als ihr Energielevel zulässt und ihre eigenen Bedürfnisse non stop hinten anstellen, gleichzeitig aber alle Bedürfnisse der Kinder erfüllen wollen. 

Versteh mich nicht falsch, Elternschaft hat viel mit Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse etc. zu tun. Aber das ist eben auch der Unterschied: Zurückstellen bedeutet nicht aufgeben oder übergehen.

Aus diesem Grund rudern allerdings momentan viele zurück, distanzieren sich von BO und konzentrieren sich wieder mehr auf sich. Was auch von Anfang an hätte genau so sein sollen: die Konzentration auf sich selbst und die eigene Familie. Ich frage mich, warum ich nie in diese Falle getappt bin. Denn auch wenn ich mal meine Bedürfnisse zurückstelle, sie mal übergehe oder vergesse, war mir immer bewusst, dass es genauso um meine Bedürfnisse geht, wie um die meiner Kinder – nur eben nicht immer zur selben Zeit und mit derselben Priorität. Ich habe mich also gefragt, warum ich nie in diese Falle getappt bin, die tatsächlich auch recht offensichtlich ist. Und die Antwort, die ich für mich gefunden habe, ist meine systemische Haltung. Die “(…)systemische Perspektive: Der Blick auf das ganze Feld und die Impulse, die eine bestimmte Intervention in Kontext setzt oder aus diesem erhält.” (Schwing & Fryszer 2015, S. 19). In der Systemik geht es um den Blick auf das Ganze. Auf verschiedene Systeme, die sich bedingen, auf verschiedene oder auch alle Mitglieder eines Systems, besonders eines Kernsystems wie das System Familie. Es geht darum, dass ein Verhalten einer Person das Verhalten einer anderen beeinflussen kann. 

Wieso Falle? Du erziehst doch aber bindungsorientiert (BO), oder nicht? 

Nachdem die bindungsorientierte Erziehung jahrelang einen starken Aufwind erlebt hat, sieht es momentan so aus, als gäbe es in diesem Bereich wieder ein paar Rückschritte. Ich konnte mich mit dem Namen auch nie 100%ig anfreunden und nutze lieber den Begriff ‘bedürfnisorientiert’, was ja auch oft als Synonym genutzt wird. Dabei müsste ich auch dies noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, denn bedürfnisorientiert geht nur, wenn eine Bindung da ist, die stark genug ist zu tragen. 

Aber was ist nun diese Falle, fragst du dich? Die Falle ist der Grund, warum die Bewegung gerade wieder Rückschritte erlebt, zumindest aus meiner Sicht. Es geht darum, dass der Fokus in dieser Bewegung zu sehr auf dem Kind lag und die Bedürfnisse des Kindes bei vielen Familien über denen der Eltern, besonders der Mutter stand. Dies führt dazu, dass immer mehr Familien (noch) erschöpfter sind als eh schon, da sie mehr Geben als ihr Energielevel zulässt und ihre eigenen Bedürfnisse non stop hinten anstellen, gleichzeitig aber alle Bedürfnisse der Kinder erfüllen wollen. 

Versteh mich nicht falsch, Elternschaft hat viel mit Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse etc. zu tun. Aber das ist eben auch der Unterschied: Zurückstellen bedeutet nicht aufgeben oder übergehen.

Aus diesem Grund rudern allerdings momentan viele zurück, distanzieren sich von BO und konzentrieren sich wieder mehr auf sich. Was auch von Anfang an hätte genau so sein sollen: die Konzentration auf sich selbst und die eigene Familie. Ich frage mich, warum ich nie in diese Falle getappt bin. Denn auch wenn ich mal meine Bedürfnisse zurückstelle, sie mal übergehe oder vergesse, war mir immer bewusst, dass es genauso um meine Bedürfnisse geht, wie um die meiner Kinder – nur eben nicht immer zur selben Zeit und mit derselben Priorität. Ich habe mich also gefragt, warum ich nie in diese Falle getappt bin, die tatsächlich auch recht offensichtlich ist. Und die Antwort, die ich für mich gefunden habe, ist meine systemische Haltung. Die “(…)systemische Perspektive: Der Blick auf das ganze Feld und die Impulse, die eine bestimmte Intervention in Kontext setzt oder aus diesem erhält.” (Schwing & Fryszer 2015, S. 19). In der Systemik geht es um den Blick auf das Ganze. Auf verschiedene Systeme, die sich bedingen, auf verschiedene oder auch alle Mitglieder eines Systems, besonders eines Kernsystems wie das System Familie. Es geht darum, dass ein Verhalten einer Person das Verhalten einer anderen beeinflussen kann. 

Kümmere ich mich nicht um mich, wie kann ich mich dann gut um andere kümmern? Sind meine Bedürfnisse nicht gut genug erfüllt, kann ich die meiner Kinder auch nicht gut genug erfüllen, weil mir die Kraft fehlt, überhaupt richtig zuzuhören, sie zu lesen und sie zu verstehen. Hier wird immer gerne das Flugzeug-Beispiel herangezogen. Du weißt schon: ich setze mir im Flugzeug als erstes meine eigene Maske auf und kümmere mich dann um die Personen, die Hilfe brauchen. Denn nur wenn ich genügend Sauerstoff bekomme, kann ich mich gut um andere kümmern. 

In der Systemik geht es darum, “Von den Ressourcen her zu denken, auf konkrete Lösungen zuzugehen. (…) Zentral ist die Annahme, dass jedes System bereits über alle Ressourcen verfügt, die es zur Lösung seiner Probleme benötigt – es nutzt sie nur derzeit nicht.(…) Als soziale Konstruktionen interessieren vor allem die Nützlichkeit oder die Schädlichkeit von dem, was wir in der Alltagspraxis tun.” (von Schlippe & Schweitzer 2016, S.209 f.).

Wenn also jedes System schon über die eigenen Ressourcen verfügt und einem dies klar ist, was kann man dann tun, wenn man verzweifelt und müde und total erschöpft als Elternteil zu Hause sitzt, weil man sein Bestes gibt nach den Kindern zu schauen und deren Bedürfnisse zu erfüllen? Da gibt es nicht viel. Man kann nach der eigenen Erschöpfung schauen und nach Ressourcen, um diese Erschöpfung zu verringern. Dies kann man alleine schaffen, wenn man sich darauf konzentrieren kann oder eben mit Unterstützung von Freunden, dem*der Partner*in oder eben mit professioneller Unterstützung in Form von Beratung, Elterncoaching oder Therapie.

Kinder in der Schaukel und Mutter da

Es wird viele Bereiche geben, die hier mit einfließen dürfen und um die wir uns kümmern dürfen: 

  • Mental Load (wie viel trägst du eigentlich?)
  • eine Partnerschaft auf Augenhöhe (und nein das muss nicht 50/50 heißen!)
  • eigene innere Glaubenssätze (denn jeder hat sie und kaum einer will sie, dabei kann man sie sich zu Nutze machen, wenn man sie kennt)
  • eigene Erfahrungen aus der Kindheit, aus Partnerschaften etc. (die evtl. aufgearbeitet werden dürfen, damit man wieder ins Vertrauen mit sich gehen kann)
  • das eigene Stressmanagement (wie reguliere ich mich selbst, wenn ich nie gelernt habe, mit meinen als negativ gelesenen Gefühlen umzugehen?)
  • ….dir fällt bestimmt noch etwas ein, oder nicht?

Versteh mich nicht falsch, mir ist bewusst, dass es unglaublich schwierig ist, nicht in diese Falle zu tappen. Wir sind gefangen zwischen verschiedenen Welten: 

  • Der Welt, in der wir unseren Kindern mehr zuhören möchten und mehr auf die Gefühle eingehen möchten, anders als es bei uns selbst vielleicht war. 
  • Der Welt, in der wir es aber vielleicht nicht anders gelernt haben und deswegen alleine schon strugglen, weil wir uns dies alles erstmal aneignen müssen. 
  • Und der Welt, in der wir gelernt haben, dass vor allem Frauen bzw. Mütter sich IMMER zurücknehmen und ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen, gerade wenn es um Kinder geht, weil es uns eben früher genau so vorgelebt wurde. 

Wie soll man nicht in diese Falle tappen? 

Ich kann das alles gut nachvollziehen und gerade deswegen finde ich es auch wichtig, dass dies nun mehr und mehr besprochen wird und es auch zu Rückschritten in der Bewegung kommt. Es muss uns bewusst werden, dass unsere eigenen Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die unserer Kinder – ohne diese Erkenntnis können wir nichts von unseren Vorstellungen und Wünschen wirklich dauerhaft umsetzen und weitergeben. Und ja, es ist traurig, dass dies nicht von Anfang an klar war und mitgetragen wurde. 

Dass jetzt wieder mehr und mehr in Richtung ‘autoritäre’ Erziehung gehen, wie sie es teilweise selbst beschreiben, hat aus meiner Sicht zwei Seiten. Auf der einen Seite ist die Erklärung dafür oft das Thema Grenzen setzen. Dieses Thema ist ein wichtiges Thema, auch in der BO Erziehung, denn Grenzen sind wichtig und Kinder suchen sie bewusst. Sie wollen einen Rahmen gesetzt bekommen, in dem sie sich bewegen können, dessen Regeln und Grenzen sie aber einschätzen möchten. Grenzen sind also ein wichtiger Teil, auch in der BO Erziehung. Dass dies nun eher der autoritären Erziehung zugeschrieben wird, zeigt also ein Missverstehen der BO Erziehung. Denn auf der einen Seite erfülle ich mit Grenzen auch die Bedürfnisse der Kinder, aber eben auch meine eigenen. Denn ich setze ja nicht nur Grenzen, wenn es um den sozialen Rahmen oder einen Gefahrenraum geht, sondern auch wenn ich meine persönlichen Grenzen setze, wie z.B. eine Pause, die ich dringend nötig habe und die erfordert, dass das Kind etwas wartet (hallo eigene Bedürfnisse!).

Sich deswegen also bewusst von der BO Erziehung abzugrenzen, sehe ich als schwierig an, denn sie beinhaltet dies ja alles, wenn sie richtig verstanden wird. Wenn ich mich außerdem mit dieser Begründung von BO abwende, dann kann die richtige Bedeutung auch nicht weiter getragen werden. 

Und versteh mich bitte richtig: Elternschaft ist einfach hart, auf so vielen Ebenen und das wird sich auch durch die BO Erziehung nur minimal ändern, es bleibt hart und anstrengend. Aber wie kann es ‘falsch’ sein, auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen zu wollen? Sie verstehen zu wollen, mit ihnen zu kommunizieren und sie ernst zu nehmen?

Ich glaube, dass es nichts Wertvolleres gibt, solange eben die eigenen Bedürfnisse und die eigenen Grenzen genauso ihren Platz haben. Wie wir das dann nennen, ist im Grunde auch gar nicht so wichtig und vielleicht ist die Idee, es gar nicht mehr wirklich zu labeln auch gewinnbringend, wer weiß. Ich für meinen Teil lege den Fokus darauf, was für uns das Richtige ist, und zwar für jedes Familienmitglied. Und wie wir das nennen, das ist auch irgendwie zweitrangig. Oder wie siehst du das? 

Noch einmal zurück zur Systemik, um die es ja hier auch geht. Ich bin nämlich überzeugt, dass ich nur nicht in diese Falle getappt bin, weil ich gleichzeitig mit der Geburt meiner Kinder meine systemische Haltung entwickelt habe und sie nach wie vor stärke. Und dafür bin ich dankbar. Denn nicht nur unterstützt sie mich dabei, zumindest etwas einfacher durch den Erziehungs-/Beziehungs-/Familiendschungel zu gehen. Nein, sie hilft mir auch andere Familien und Mütter dabei zu unterstützen, diesen Dschungel etwas sicherer und leichter zu durchqueren. Und auch dafür bin ich dankbar, egal wie man das hier alles labeln mag 😉

Quellen:

Schwing R. & Fryszer A. (2015): Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis. 7. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Von Schlippe, A. & Schweitzer J. (2016): Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen. 3. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.